Fenster und Türen im Condominium: Regeln, Zuständigkeiten und sichere Umsetzung
Wann die Eigentümerversammlung entscheidet, was Einzel eigentümer eigenständig dürfen und welche Normen bei Austausch und Modernisierung gelten.
Fenster, Rollläden und Türen sind zwar häufig dem Sondereigentum zugeordnet, prägen jedoch die Fassade und damit das architektonische Dekorum des Gebäudes. Wer austauscht oder modernisiert, muss deshalb nicht nur das Condominium‑Reglement, sondern auch gesetzliche Vorgaben zu Dekorum, Stabilität, Sicherheit und Energieeffizienz beachten. Der folgende Leitfaden fasst die wichtigsten Spielregeln zusammen.
1) Grundsätzliches: Sondereigentum mit gemeinschaftlicher Wirkung
Auch wenn die Bauteile einer einzelnen Einheit gehören, unterliegen sie Regeln des Condominiums und des Gesetzes, um die Integrität des Gebäudes zu wahren. Das gilt optisch (Fassade) wie funktional (Stabilität/Sicherheit).
2) Reglement: Farben, Materialien & Dekorum
- Versammlungsreglement:
kann Farben/Materialien vorgeben, um die einheitliche Gestaltung zu sichern. - Vertragliches Reglement:
darf strenger sein, z. B. Originalmaterialien oder konkrete Verbote vorschreiben. - Zivilgesetzbuch Art. 1122:
untersagt Arbeiten an Sondereigentum, die Dekorum, Stabilität oder Sicherheit beeinträchtigen. - Rechtsprechung:
„Dekorum“ meint nicht Kunstwert, sondern die harmonische Einheit von Linien und Strukturen. Abweichende Formen/Farben können das Gesamtbild verletzen – es sei denn, die Fassade ist ohnehin uneinheitlich.
3) Austausch im gesamten Condominium: Beschlüsse & Mehrheiten
- Außerordentliche Instandhaltung:
(z. B. Erneuerung alter/beschädigter Elemente): Mehrheit der Anwesenden, die mindestens 500/1000 Miteigentumsanteile vertreten (Art. 1136). - „Innovation“:
(z. B. Umstieg auf besser dämmende Fenster): Mehrheit der Anwesenden mit mind. 2/3 des Gebäude werts (Art. 1120). - Belastende/luxuriöse Innovation:
(z. B. motorisierte Rollläden ohne zwingenden Bedarf): Gegner können von Arbeiten und Kosten ausgeschlossen werden, sofern technisch trennbar (Art. 1121). - Kostenaufteilung:
nach Tausendsteln auf alle Wohnungseigentümer (Art. 1123).
4) Austausch durch den einzelnen Eigentümer: Mitteilung, ggf. Zustimmung
- Grundsatz: Keine Versammlungszustimmung nötig, wenn Art. 1122 und das Reglement gewahrt sind.
- Zustimmung: Kann erforderlich sein, wenn das Reglement es verlangt oder das Dekorum wesentlich betroffen ist.
- Vorab den Verwalter schriftlich informieren: Zu Materialien, Farben, technischen Daten. Schweigen ist keine Genehmigung.
- Durchsetzung: Der Verwalter kann ohne vorherigen Beschluss die Wiederherstellung/Entfernung rechtswidriger Bauteile verlangen (Art. 1130).
5) Anfechtungen: Was gilt im Streitfall?
Geringfügige Abweichungen verändern das Dekorum nicht zwingend – insbesondere, wenn dieses durch frühere Eingriffe bereits beeinträchtigt wurde (Rechtsprechung). Maßgeblich ist stets die konkrete Einwirkung auf das Gesamtbild.
6) Technische & öffentlich‑rechtliche Vorgaben
- Energieeffizienz:
EU‑Richtlinie 2010/31/EU, umgesetzt u. a. durch D.Lgs 192/2005 und DM 26.06.2015; einzuhalten sind Mindest‑U‑Werte je Klimazone. Übliche, in der Praxis akzeptierte Materialien sind Holz, PVC und Aluminium. - Standsicherheit:
Bauteile sind fachgerecht zu verankern, ohne Fassaden zu überlasten oder zu schwächen. - Bauverfahren:
Austausch ist regelmäßig „freier Bau“, solange Konturen/Abmessungen/Fassadenbild unverändert bleiben; ändern sich äußere Merkmale, ist je nach Fall ein Genehmigungstitel (z. B. CILA) nach DPR 380/2001 erforderlich. - Incentives:
Wer Förderungen (z. B. Ecobonus) nutzt, muss zusätzliche technische Nachweise (Energieklassen‑Verbesserung etc.) erbringen.
7) Praxis‑Checkliste für einen reibungslosen Austausch
- Reglement sichten (Farben/Materialien/Verbote).
- Optische Einheit des Gebäudes prüfen (Dekorum‑Risiken bewerten).
- Technische Daten (U‑Wert, Einbau, Material) festlegen und dokumentieren.
- Verwalter vorab informieren; ggf. Beschluss herbeiführen.
- Bauverfahrens‑Pflichten (CILA etc.) und Fördervoraussetzungen klären.
- Fachfirma beauftragen; Montage und Verankerung protokollieren.
Rechtlicher Hinweis: Dieser Beitrag ersetzt keine Rechtsberatung.